Neuer WM-Zyklus mit Weltcup in Chanty Mansijsk gestartet
28.08.2011
Die gute Nachricht zuerst: Die Schachwelt kann hoffen, dass Magnus Carlsen seinen nächsten Anlauf um den Weltmeistertitel nicht abbrechen wird. Die FIDE kehrt nämlich im neuen WM-Zyklus 2011-2013 zum bewährten System eines WM-Kandidatenturniers zurück. Acht Spitzenspieler wird es vorbehalten sein, in einem doppelrundig ausgetragenen finalen Turnier den Herausforderer um die Schachkrone zu ermitteln. Allerdings ist es ein äußert schwerer Weg, um letztlich zu diesen "Auserwählten" zu gehören. Am leichtesten hat es fraglos der Verlierer des WM-Matches Anand-Gelfand, das im Mai kommenden Jahres in Moskau stattfinden wird. Wenn er denn noch einmal Lust hat, was abzuwarten bleibt. Dazu kommen die drei Erstplatzierten des Weltcups 2011 und ein Vertreter der Gastgeberföderation des WM-Kandidatenturniers sowie die drei besten Spieler der Weltrangliste, sofern sie sich nicht schon nach den vorhergehenden Kriterien qualifiziert haben. In jedem Fall ist das eine klare Ansage - auch für die Nummer 1 der Schachwelt Magnus Carlsen... Im westsibirischen Chanty Mansijsk lautet ab heute erst einmal das Motto 3 aus 128 - und das im erbarmungslosen wie nach wie vor umstrittenen K.o.-System. Zwei reguläre Partien, bei Gleichstand dann Schnell- und Blitzschach-Tiebreak. Nach jeweils drei Tagen ist eine Runde vorbei, wer verliert fliegt, wobei es in Runde 1 immerhin ein "Trostpflaster" von 6000 US-Dollar vom Preisgeld in Höhe von insgesamt 1,65 Millionen Dollar gibt. Allerdings müssen davon noch 20 Prozent an die FIDE abgeführt werden, sodass wohl gerade so eine schwarze Null übrig bleiben sollte. Dabei sein ist also in diesem Fall sicher alles - und für die drei Glücklichen am Ende sogar mehr! Das Feld der 128 Teilnehmer - darunter sind mit Judit Polgar und der amtierenden chinesischen Weltmeisterin Hou Yifan nur zwei Frauen - ist jedenfalls allererste Klasse. Von den Top-Großmeistern, die diese Chance fürs WM-Kandidatenturnier nutzen könnten, fehlen lediglich Magnus Carlsen, Levon Aronjan, Wladimir Kramnik, Hikaru Nakamura und Wesselin Topalow. Das erstgenannte Trio setzt fraglos darauf, zum elitären Kreis der drei Besten in der Elo-Rangliste zu gehören, während beim Bulgaren zum jetzigen Zeitpunkt die einzige Hintertür wäre, dass dank ECU-Präsident Danailow sein Land als Gastgeber das WM-Kandidatenturniers ausrichtet. Warum der einstige FIDE-Weltmeister so hoch pokert, ist nicht bekannt. Das gilt gleichermaßen für Hikaru Nakamura, die aktuelle Nummer 6 der Weltrangliste (Stand: 1. Juli). Deutschland ist in Chanty Mansijsk lediglich durch Daniel Fridman (Elo 2659) vertreten. Der 35-Jährige, der sich seinen Platz bei der Europameisterschaft im Frühjahr im französischen Aix-les Bains sicherte, ist auf der Setzliste auf Rang 62 geführt in der allein 26 Aktive aus Russland vertreten sind. Das bringt ihm zumindest für Runde 1 mit Constantin Lupulescu (Elo 2650) einen nicht unbedingt leichten Auftaktgegner. Der acht Jahre jüngere Rumäne, der in der Bundesliga an Brett 1 für die SG Trier spielt, ist dreifacher Landesmeister und bildet bei Team-Wettbewerben mit Ex-Europameister Liviu-Dieter Nisipeanu eine starke Doppelspitze. Wie uns Daniels Frau Anna Zatonskich - die jüngst erneut USA-Landesmeisterin wurde - durchaus optimistisch mitteilte, fühlt sich unser deutscher Kandidat ganz gut. So hat Daniel, dessen Lebensmittelpunkt Bochum ist, am letzten Wochenende noch das "Elfmeterschießen" bei einem, Schellschachturnier in Herne trainiert - und es gewonnen. Mit dem Weltcup-Modus, der häufig einer Glückslotterie gleicht, müssen freilich alle leben, also auch die Top 10-Spieler Sergej Karjakin, Wassili Iwantschuk, Schachrijar Mamedjarow, Ruslan Ponomarjow, Wugar Gaschimow, Alexander Grischuk. Teimur Radjabow, Gata Kamski, Peter Swidler und Dmitri Jakowenko. Auf den Ausgang dieses Knockout-Spektakels von Chanty Mansijsk, das mehr als einen Monat fraglos das bestimmende Thema der Schachwelt sein wird (27. August bis 20. September) dürfen wir in jedem Fall gespannt sein. Und natürlich fiebern wir mit unserem Daniel mit und drücken ihm für ein erfolgreiches Abschneiden kräftig die Daumen! Wie schwer es jedoch bereits in Runde 1 sein kann, zeigt die folgende erste Partie, die nach nur 16 Zügen remis endete. Taktieren ist wohl doch angesagt, bloß keine Fehler machen, oder?!
Weiß: Fridman, D. [Deutschland] Schwarz: Lupulescu, C. [Rumänien]
Angenommenes Damengambit [D27]
1.d4 Sf6 2.Sf3 d5 3.c4 e6 4.Sc3 dxc4 5.e3 a6 6.a4 c5 7.Lxc4 Sc6 8.0-0 Le7 9.dxc5 0-0 10.Sg5 Lxc5 11.Sge4 Le7 12.b3 Dc7 13.La3 Td8 14.Sxf6+ Lxf6 15.Dc2 Le7 16.Lxe7, und Weiß bot remis, das Schwarz annahm! [1/2]
Interessant sind die folgenden Anmerkungen von Daniel Fridman, die er unmittelbar nach dem Ende der Partie machte: Im 9. Zug habe ich statt dxc5, was den Damentausch zulässt, auch 9.De2 spielen können. Allerdings ist die Stellung nach 9. ...cxd4 10.Td1 e5 11.exd4 exd4 12.Sxd4 Sxd4 13.De5 Dd6 völlig ausgeglichen. 10. Sg5 war möglicherweise nicht so gut. Besser wäre vielleicht 10.b3 gewesen. Mit 15....Sa5 hätte Schwarz einen Bauern gewinnen können. Allerdings dürfte Weiß nach meiner Einschätzung ausreichendes Spiel bekommen, beispielsweise: 16.Tac1 Sxc4 17.bxc4 Dxc4 19.Se4 Dxc2 20.Sxf6+ gxf6 21.Txc2. Weiß will mit a5 den Damenflügel festlegen und dürfte genug Spiel haben. Allerdings könnte Schwarz 21. ...Td5 spielen worauf 22.Le7 folgt. Nun hat Schwarz zwei Alternativen; a) auf 22. ...f5 folgt 23. Tc3, und es drohe 24.e4 nebst Tg3+ und Lf6 matt. b)auf 22. ...Kg7 könnte Weiß 23.f4 spielen und versuchen, mit 24.Tf3 gegen den schwarzen König zu spielen. Wenn Schwarz mit dem Turm nach d7 geht, bringe Weiß den Läufer nach d4 und dürfte ausreichendes Spiel für den Bauern haben. In der Partie habe ich nach 15. ...Le7 16.Lxe7 keine Chance auf Spiel gegen den gegnerischen König gesehen. Strukturell ist die Stellung am Damenflügel sogar eher etwas schlechter für Weiß, so dass ich Remis geboten habe. Anna, die unmittelbar nach der Partie keine Gelegenheit hatte, mit ihrem Mann zu sprechen, meinte, dass Lupulescu diese Variante noch nie gespielt hat und somit Daniel bereits in der Eröffnung überraschte. Er habe dann sicherlich entschieden, eine sichere Behandlung der Stellung den scharfen Varianten mit beispielsweise 5.e4 vorzuziehen... Abschließendes Fazit des Beobachters aus der Ferne: Ich denke, hier geht es einfach um zuviel, als dass in den Paarungen mit gleichstarken Spielern - zumal in Runde 1 - einer ein zu großes Risiko eingeht.
1.d4 Sf6 2.Sf3 d5 3.c4 e6 4.Sc3 dxc4 5.e3 a6 6.a4 c5 7.Lxc4 Sc6 8.0-0 Le7 9.dxc5 0-0 10.Sg5 Lxc5 11.Sge4 Le7 12.b3 Dc7 13.La3 Td8 14.Sxf6+ Lxf6 15.Dc2 Le7 16.Lxe7, und Weiß bot remis, das Schwarz annahm! [1/2]
Interessant sind die folgenden Anmerkungen von Daniel Fridman, die er unmittelbar nach dem Ende der Partie machte: Im 9. Zug habe ich statt dxc5, was den Damentausch zulässt, auch 9.De2 spielen können. Allerdings ist die Stellung nach 9. ...cxd4 10.Td1 e5 11.exd4 exd4 12.Sxd4 Sxd4 13.De5 Dd6 völlig ausgeglichen. 10. Sg5 war möglicherweise nicht so gut. Besser wäre vielleicht 10.b3 gewesen. Mit 15....Sa5 hätte Schwarz einen Bauern gewinnen können. Allerdings dürfte Weiß nach meiner Einschätzung ausreichendes Spiel bekommen, beispielsweise: 16.Tac1 Sxc4 17.bxc4 Dxc4 19.Se4 Dxc2 20.Sxf6+ gxf6 21.Txc2. Weiß will mit a5 den Damenflügel festlegen und dürfte genug Spiel haben. Allerdings könnte Schwarz 21. ...Td5 spielen worauf 22.Le7 folgt. Nun hat Schwarz zwei Alternativen; a) auf 22. ...f5 folgt 23. Tc3, und es drohe 24.e4 nebst Tg3+ und Lf6 matt. b)auf 22. ...Kg7 könnte Weiß 23.f4 spielen und versuchen, mit 24.Tf3 gegen den schwarzen König zu spielen. Wenn Schwarz mit dem Turm nach d7 geht, bringe Weiß den Läufer nach d4 und dürfte ausreichendes Spiel für den Bauern haben. In der Partie habe ich nach 15. ...Le7 16.Lxe7 keine Chance auf Spiel gegen den gegnerischen König gesehen. Strukturell ist die Stellung am Damenflügel sogar eher etwas schlechter für Weiß, so dass ich Remis geboten habe. Anna, die unmittelbar nach der Partie keine Gelegenheit hatte, mit ihrem Mann zu sprechen, meinte, dass Lupulescu diese Variante noch nie gespielt hat und somit Daniel bereits in der Eröffnung überraschte. Er habe dann sicherlich entschieden, eine sichere Behandlung der Stellung den scharfen Varianten mit beispielsweise 5.e4 vorzuziehen... Abschließendes Fazit des Beobachters aus der Ferne: Ich denke, hier geht es einfach um zuviel, als dass in den Paarungen mit gleichstarken Spielern - zumal in Runde 1 - einer ein zu großes Risiko eingeht.